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Carter Haus und der Nachbau von KV 62

In Theben West, rechts der Straße zum Tal der Könige findet sich in einer kleinen Oase das Haus in dem Howard Carter zur Zeit der Ausgrabung des Grabes "KV 62" lebte und arbeitete.

Nach jahrzehntelanger unterschiedlicher Nutzung wurde es am 4. November 2009 in einem feierlichen Akt im Beisein des damaligen Antikenministers Dr. Zahi Hawass und Nachfahren des Ausgräbers Howard Carter und des Finanziers der Grabung, dem 4. Earl of Carnarvon  als Museum eröffnet.

Zahi Hawass (mitte), George Herbert, 8. Earl of Carnarvon mit Gattin Lady Fiona.
(Foto: nauna)

modifizierter Ausschnitt aus google earth, 2015

Das Carter Haus ist heute wieder eingerichtet wie zu Zeiten Howard Carters. Man befindet sich in seinem Arbeitszimmer, auf dem Esstisch liegen Kopien seiner handschriftlichen Grabungsnotizen. In der Dunkelkammer hängen Abzüge der Grabungsfotos "zum Trocknen". Sein Schlafzimmer, Bad und Küche - alles steht zur Besichtigung offen. Dazwischen Informationen zur Entdeckung und Ausgrabung von KV 62, dem Grab Tutanchamuns.

"Howard Carter" von Haremhab, alle anderen Fotos : nauna

Das am Eröffnungstag in der Küche ausgestellte silberne Besteck mit Monogramm fehlt heute. Es war eine Leihgabe des 8. Earl of Carnarvon zur Eröffnung. Die Mithilfe einer Beamerpräsentation "eingespielte" Anwesenheit Howard Carters, der auf der Kante des Schreibtisches sitzend über sein Leben berichtete, ist längst abgeschaltet.

Auf der Besuchsliste großer Reiseunternehmen steht das kleine Museum nicht. Das ist auch gut so. Die Räumlichkeiten sind viel zu beengt um größere Gruppen durch das Haus zu begleiten (Am Eröffnungstag haben Aufsichtskräfte den Zutritt ins Haus geregelt und beschränkt). Für Individualtouristen und Kleingruppen, für Fans des Kindkönigs, sollte der Besuch des Museums jedoch unbedingt einmal auf der "to-do-Liste" stehen.
Ende April 2014 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft zum Carter Haus ein Nachbau des Grabes von Tutanchamun eröffnet. Seither hört man immer wieder die Frage: Lohnt sich ein Besuch dieses "modernen" Nachbaues? Meist haben die Fragesteller bereits eine vorgefertigte, negative, Antwort auf diese Frage.
Um für mich eine Antwort auf diese Frage zu finden, habe ich den Nachbau im November 2015 besucht.
Eintrittskarten für Carter Haus und Grab-Nachbau gibt es am Ticket Office. Der Eintritt zum Nachbau ist in der Eintrittskarte des Museums enthalten. Neben dem Museum ist ein eigener, kleiner Parkplatz. Lange Wege fallen beim Besuch nicht an. Als wir kamen, waren wir die einzigen Besucher und baten darum, zuerst den Nachbau sehen zu dürfen. Er war verschlossen, ein Wächter begleitete uns und öffnete das Grab. Positiv anzumerken ist hier, dass der Besuch durchaus behindertengerecht ist. Die im Original unüberwindbare Treppe hinab ins Grab bleibt behinderten Besuchern hier erspart. Der Grabnachbau setzt mit dem abgeschrägten Eingangskorridor ein. Hier findet sich in Englisch und Arabisch eine knappe Geschichte des Nachbau-Projektes.
Der Korridor mündet in der Kammer I (Carters Antechamber). Im Original wird in der einen Ecke die Mumie Tutanchamuns zur Schau gestellt. Der Nachbau zeigt an den undekorierten Wänden dieser Kammer Bilder Harry Burton vom Auffindezustand des Raumes. Dabei Erläuterungen in Englisch und Arabisch.

Im rechten Bild ist rechts der Durchgang zum "östlichen" Nebenraum zu sehen, der im Gegensatz zum Original einen normalhohen Durchgang hat. Dahinter kommt man in eine, im Original nicht zugängliche, Kammer die im Nachbau eine kleine Ausstellung zum Bildprogramm des Grabes und der digitalen Sicherung beherbergt.
Auf einem großen Flatscreen Monitor kann man das gesamte Bildprogramm der Grabkammer en detail anschauen. In einer sehr guten Bildqualität kommen kleinste Details zur Ansicht - auch der Schäden durch die Befall durch Microorganismen. Am Beispiel einer Wand werden, farblich gekennzeichnet, dem Besucher die unterschiedlichen Schäden aufgezeigt.

Manchen mag die im Raum befindliche lebensgroße Darstellung der Göttin Isis im Nini-Gestus überraschen.
Wo kommt die nun her?
Sie fehlt heute im Original KV 62. Die Darstellung war ehemals in der Grabkammer, dort wo heute der Durchgang für die Besucher ist. Sie musste weichen, damit für Besucher ein breites "Besichtigungsfenster" entstehen konnte.
Im Südosten der Grabkammer fanden sich ursprünglich diese drei "Herren der Dat" hinter der Göttin Isis im Njnj-Gestus die den heute nicht mehr erhaltenen König begrüßt. Der Darstellung des König fiel dem ersten Durchbruch der Wand durch Carter zum Opfer.

Die tiefergelegene Grabkammer ist im Nachbau, wie im Original mit einer hölzernen Absperrung von der Kammer I abgegrenzt und gesichert. Im Gegensatz zum Original erlaubt der Wächter das Betreten der Grabkammer.

Der Besucher kann sich hier nun persönlich von der Qualität des Scans und der Arbeit der Alten Ägypter überzeugen. Die nicht sauber geglätteten Wände als Untergrund der Malerei sind nicht zu übersehen, leider auch nicht der Verlust durch "Zivilisationsschäden".

Nur wer in der Grabkammer steht, kann eine weitere - meist unbekannte - Szene des Bildprogrammes sehen: Anubis und Hathor, die Herrin des Westens, geleiten und beleben den König.

Alle Fotos: nauna

Besucher des Nachbaues werden informativ durch das Grab, seine Entdeckungs- und Nachbaugeschichte geführt. Der Besucher erhält Informationen und sieht Details, die ihm das Original nicht (mehr) liefert. Mit Ausnahme der Grabkammer, die nur über eine kleine Treppe zu erreichen ist, ist das Grab auch für gehbehinderte Personen gut und einfach zu besuchen. Das Nebeneinander des Nachbaues und des Grabungshaues vermitteln eine Gesamtbetrachtung der Entdeckung des Grabes die ich sehr gelungen finde. Zudem kann man sich beim Besuch Zeit lassen, hier drängt keine Schar Touristen die im Schnellprogramm "Ägypten" sehen wollen.
 

Mein Fazit: "es lohnt" und "jederzeit wieder".

 
Eingestellt durch: naunakhte

Bearbeitet am: 27.02.2016