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ein Führer zum wenig Beachteten in und um Luxor -

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Karnak

Kapelle des Achoris

Vor der Ecke des Südflügels des 1. Pylon liegt eine ungewöhnliche Kapelle/Barkenstation. Lange Jahre war sie von der Strasse aus gut zu sehen, heute muss man in die äußerste Ecke des Vorplatzes um von ihm einen Blick auf sie zu werfen. Der Zugang ist von der kleinen römischen Kapelle vor dem ersten Pylon aus möglich.

Ungewöhnlich an der Kapelle ist einmal der winklige Zugang mit einem axialen und einem seitliche Eingang. Dann überrascht vielleicht das Zusammenspiel zwischen geschlossenem und offenen Bauteil. Traunecker (Chapelle II, Text p. 13) beschreibt es als einen offenen Naos mit angebauter Westkolonnade.

Die Kapelle besitzt somit einen Zugang von der Tempelachse aus und einen der zum Nil führte.

Sie liegt, für ägyptische sakrale Gebäude eher ungewöhnlich, weder in einer Ost-West, noch in einer Nord-Süd-Achse.

Foto: nauna

Arnold p. 100 fig. 54 Lauffray p. 15 fig. 3
Nach Arnold (Temples, p. 100) wurde der Bau unter Nepherites I. begonnen als Barkenstation für Amun auf seiner Reise in und aus dem Karnak-Tempel. Die Dekoration stammt von Psamuthis und Achoris hat sie schließlich vollendet. Achoris ließ seinen Namen in den Kartuschen gegen den von Psamuthis austauschen.

Die Kapelle hat Abmessungen von 10,20 m breit und 18 m lang ist. Der Naosteil ist ca. 6 m lang. Bei ihrer Auffindung stand nur die untere Hälfte des Baues in einem desolatem Zustand. Der obere Teil ist heute stellenweise ergänzt.

Von den Außenseiten sind lediglich die Türdurchgänge dekoriert. Der nördliche Eingang ist deutlich schmaler als der im Westen. An beiden Eingängen die übliche Dekoration die den König beim Betreten der Kapelle zeigt. Während im Nordeingang nur noch je eine Kolumne königlicher Titulatur erhalten ist, trägt die Innenseite des Westeinganges Texte eines Gesprächs mit Atum und Geb sowie mit Amun.
Die Ostseite dieses Eingangs ist mit Begrüßungsszenen verziert. Amun und Month empfangen den König.

Foto: nauna

Beim Betreten der Kapelle fällt einem die Rückwand des Naos ins Auge deren Dekoration zweigeteilt ist. Die Nordhälfte zeigt den König vor einem Opferaufbau und Amun, dahinter eine listenförmige Anordnung mit Genien der Sonnenlitanei.
Den figürlichen Darstellungen des Königs und Amuns fehlen die Beine. An den entsprechenden Stellen sind sauber gearbeitete Vertiefungen, die die Schrittstellung der Beine erahnen lassen. Borchardt (S. 6 Nr. 5) sieht hierin keine Ausbesserungen, sondern separate Steineinlagen die mit einem Metallüberzug die Farbigkeit der Darstellung unterstützen sollten. Dem widerspricht allerdings Lauffray (S. 52), der den Beinbereich für eine solche Sonderbehandlung für ungeeignet hält. So etwas sollte sich, seiner Vorstellung nach, auf den oberen Teil des Körpers beschränken. Er plädiert für eine Reparatur beider Beindarstellungen.

Fotos: nauna

Um die Götterfigur herum finden sich zahlreiche viereckige Zapfenlöcher. Die in Figurnähe zu findenden Löcher dienen lt. Lauffray der Befestigung eines Metallüberzuges, wahrscheinlich Gold. In der  südlichen, senkrechten Reihe Löcher fanden sich Spuren von Verschlusszement. Traunecker sieht in ihnen die Löcher zur Befestigung eines Gitters oder einer leichten Tür die das Bildnis des Gottes bedecken konnte. Diese Reihe von Zapfenlöcher befindet sich bereits nach der ersten Reihe der Genien der Sonnenlitanei, woraus er schließt, das deren Bedeutung bei der Anbringung nicht mehr unbedingt bekannt war.
Die Seitenwände des Naos zeigen je eine Barkendarstellung auf einem Barkenuntersatz mit einem opfernden König davor. Wohl eine Darstellung der in diesem Raum durchgeführten Handlung. Der Rest des Barkenuntersatzes ist auf dem Bild oben links noch im Boden zu sehen. Er dominierte im Raum.

Nordwand; Traunecker, documents pl. X Szene 17

 

Hier lohnt sich der Blick ins Detail. Zahlreiche nette Kleinigkeiten verbergen sich in den leider recht zerstörten Darstellungen.

Fotos: nauna

Details; Fotos: nauna

Das rechte Bild zeigt den aufwendig verzierten Schrein der Amuns-Barke. Im unteren Bildbereich erkennen wir zwei Darstellungen der Göttin Meret. Die rechte ist bis auf den Kopfschmuck zerstört, die linke gut erhalten. Zwischen den Meretdarstellungungen sehen wir links den König knien. Ihm folgen Darstellungen der schakalköpfigen Bau von Hierakonpolis. König und Bau sind im Jubelgestus dargestellt. Die Verteilung der Bau auf den Barkenseiten folgt dem üblichen Schema. Die Fahrtrichtung der Barke zeigt gen Westen, wir sehen somit auf der Wand die linke Schiffsseite, die Backbordseite. Auf der linken Seite werden in der Regel die schakalköpfigen Bau von Hierakonpolis dargestellt, auf der rechten Seite, Steuerbordseite, die falkenköpfigen Bau von Buto.
Guglielmi (Mr.t, S. 174) beschreibt den Aufstellungsort der Figuren folgendermaßen: Die Figuren sind nicht auf der eigentlichen Amun-Barke angebracht gewesen, sondern standen wohl auf der zwischen den Tragholmen verlaufenden Fläche vor dem auf vier Zeltstangensäulen ruhenden Schrein oder Baldachin, der die Kajüte der Amunsbarke an den beiden Seiten umschließt.

Den Übergang zwischen Naos und dem Säulenvorbau bildeten zwei halbplastische Papyrusbündelsäulen in schönster Ausfertigung. Leider sind beide nur noch in Resten erhalten. Im Bild links die restaurierte Südseite.

Es folgt eine mit Halbschranken verschlossene Reihe von offenen, unverzierten Papyrussäulen, deren Dreieckigkeit durch einen deutlichen senkrechten Grad betont wird.

Die Halbschranken der Interkolumnien sind mit Rundstab und Hohlkehle bekrönt. Im unteren Bild ist noch ein Regenabfluss zu sehen, der in Löwenform gearbeitet ist und von einer Überdachung des Bereiches zeugt.

Fotos: nauna

Die Bauform des nördlichen Tores lässt durchaus vermuten, dass es erst nachträglich eingebaut wurde. Die Torwangen umschließen hier scheinbar bereits stehende Säulen.

 

In ptolemäisch und römischen Zeiten war die Kapelle von einer Siedlung umgeben, von der neben Grafitti auch noch Siedlungsreste in Form von Keramik zeugen.

Fotos: nauna

 
Literatur:
Dieter Arnold:Temples of the last pharaohs; New York - Oxford 1999
Ludwig Borchardt: Metallbelag an Steinbauten: in Allerhand Kleinigkeiten, Leipzig 1933
Waltraud Guglielmi: Die Göttin Mr.t. Entstehung und Verehrung einer Personifikation, Leiden 1991
Jean Lauffray: La chapelle d'Achôris à Karnak. I: Les fouilles, l'architecture, le mobilier et l'anastylose. Paris 1995
Claude Traunecker, Françoise Le Saout, Olivier Masson: La chapelle d'Achôris à Karnak. II. Texte [et] Documents, Paris 1981
 
Eingestellt durch: naunakhte

Bearbeitet am: 23.11.2009